lissabon 1996

es regnet seit tagen

der nasse graue asphalt nimmt mich an die hand

und führt mich an einen ort im januar 1996, lissabon

 

ein klammes, quadratisches hotelzimmer in der baixa

undichte fenster vom boden bis zur decke

blassgrüne fensterläden, von denen farbe abplatzte

 

tagelang fiel auch dort das wasser aus dem himmel

auf mein morbides, melancholisches exil

die größtmögliche entfernung zu einer gestrandeten liebe

derer ich damals fähig war

 

gebutterter toast im café versailles und

porto rosso im a brasileira bemutterten meine verletzte seele

rostige strassenbahnen aus dem letzten jahrhundert

die mich seufzend auf die vielen hügel der stadt trugen

 

zahnloses lächeln der greisen schirmverkäuferin

der regen als gottesgeschenk

so konnte man es auch betrachten

 

die feuchten kleider auf der haut, regentropfen in den wimpern

tranken wir limonenlikör an der kleinen bar auf dem rossio

fruchtig und bitter-süß schmeckte er wie das leben

 

den blick auf das graublaue meer durch einen vorhang aus nieselregen

kehrte die empfindsamkeit endlich zurück

gefühle wollten gefühlt, die zukunft gelebt werden.